Zuckerrohr

Saccharum officinarum


"Zuckerrohr, ... aaah, Jamaica Rum, Sklaven, die das Rohr schlagen und es in Ochsenkarren in die Rumfabrik fahren!"

Das sind doch Bilder... Bilder, die einem wohl in München durch den Kopf gehen, dann aber an der Realität zerschellen. 

Wie die Banane, so kommt auch das Zuckerrohr aus „Hinterindien“, wollen wir´s mal so nennen. Genau lässt sich die Herkunft nicht eingrenzen. Bevor es aber sein Siegeszug nach Südamerika und der Karibik begann, wurde es vor dem großen Sprung in die Neue Welt auf den Kanaren „zwischengelagert“. 

Für die Segelschiffe waren seinerzeit die Kanaren ein wichtiger Stütz- und Startpunkt. Wegen der vorherrschenden Winde ging´s „Untenrum“ Richtung Südamerika und „Obenrum“ mit dem Zucker und dem Rum zurück in Richtung England. Bis zur Verbreitung von Zuckerrohr war Honig die einzige Quelle als Süßmittel. Trotz des Anbaus von Zuckerrohr in der Neuen Welt war Zucker 1800 herum immer noch ein Luxusprodukt. 

 

Heute wird kaum noch Zuckerrohr auf Teneriffa angebaut, zum Spaß allenfalls. Denn selbst die örtlich Rumdestillerie kauft die Zuckermelasse in Fässern aus Übersee. Bei einem Zuckerpreis von 60 Cent pro Kilo feinster Qualität ist schnell Schluss mit Lustig. 

 

Unseren experimentellen Anbau von Zuckerrohr haben wir mit einigen Stängelabschnitten aus einem Gartencenter gestartet. 
Diese Abschnitte mit 2 – 3 Knoten, ähnlich wie Bambus, legt man in Wasser, wo dann neue Sprosse und Wurzeln an den Knoten austreiben. Dann pflanzt man sie flach in Erde aus, bewässert regelmäßig und nach einem Jahr kann man das erste Zuckerrohr ernten. Von dem lassen sich dann weitere Sprossstücke abschneiden und auf dieses Weise bekommt man letztlich eine ganze Plantage. 

Nachdem wir über mehrere Jahre schönes Zuckerrohr geerntet hatten, erschienen die neu austreibenden Stängel relativ dünn. Bei einer genauen Untersuchung fanden sich Bohrlöcher an den Stängeln. 

Der Zuckerrohrbohrer hatte uns erwischt. 

Eine fette Motte, die ihre Eier in die Blattachseln des Zuckerrohrs legt und aus denen sich Raupen entwickeln, die sich flugs in den Stängel hineinfressen. Dort zerstören sie das Gewebe und damit den Stängel des Zuckerrohrs. Sitzt der Bösewicht erstmal geschützt im Rohr, dann kann man nur das Rohr ausbrechen und verbrennen. Allenfalls die Neuinfektion lässt sich mit Bacillus thuringensis unter Kontrolle halten.

 

Aber was macht man sonst mit den Zuckerrohrstängeln? Man kann sie auskauen, wie es die Kinder in der Karibik machen und sich  vielleicht einen Zahn ausbrechen oder direkt den Saft aus dem Mark auspressen. Aber die Stängel sind hart wie ein Besenstiel und da hilft nur Gewalt und Kraft. 

 

In den tropischen Anbauländern wird das Zuckerrohr außerhalb der industriellen Verarbeitung für den Direktkonsum im kleinen Maßstab zwischen Walzen ausgepresst und der auslaufende Saft dann als Getränk an Passanten verkauft.

Ein Bekannter von uns hatte lange Zeit in Puerto de la Cruz einen Kiosk, wo er mit einer kleinen brasilianischen Zuckerrohrpresse den Saft aus den Stängeln presste.
Über längere Zeit haben wir ihm dafür das Zuckerrohr geliefert, aber letztlich war der Kioskbetrieb doch nicht rentabel. Seine Presse wollte er uns aber dennoch nicht verkaufen, so dass wir letztlich beim Tropischen Gartencenter Cosma von Miguel in Bajamar eine Handkurbelpresse ausliehen und ein Zuckerrohrfestival veranstalteten.
Die Ernte ist nicht ganz so einfach. Die teils handgelenkstarken Stängel müssen am Grund mit Astscheren abgeschnitten und dann die Blätter entfernt werden. Diese haben sägezahnscharfe Blattränder und ohne lange Hemdärmel und feste Handschuhe geht gar nichts.
 
Was mag das wohl für Schinderei für die Sklaven bei der Ernte ohne die nötige Schutzkleidung auf den Zuckerrohrplantagen gewesen sein. Und dann noch bei Temperaturen um 30 Grad.
 
In den heutigen Zuckerrohrplantagen werden die trockenen Blätter einfach abgefackelt, wenn es die Umweltvorschriften erlauben. Da wird der Himmel dunkel, und dann fährt ein Vollernter durch, fertig.
Obwohl die Kurbelpresse drei verschiedene Zahnradabstände für unterschiedlich starke Stängel hatte, war die Kurbelei so schwer, dass letztlich die Kurbel abbrach. Unser Nachbar, der Schmied hat sie wieder repariert.
 
Bei einer Firma für Landmaschinen haben wir dann nach einer Konstruktionszeichnung eine Presse, eigentlich eine Mühle bauen lassen.
Das Problem dabei war der Motor, der sehr langsam drehen sollte und dabei ein ordentliches Drehmoment brauchte, um die „Besenstiele“ zu knacken. Er war hier auf der Insel schwierig zu finden. Aber nach zwei Anläufen hatten wir die richtige Maschine.
Als erstes wollten wir selber Rohrzucker herstellen.
 
Schmutzig trüb läuft der Saft aus der Presse, der zunächst von Fasern und anderen Pflanzenbestandteilen abfiltriert werden muss. Dann haben wir den Saft vorsichtig eingekocht und den Zucker aus der dicklichen, braunen Brühe auskristallisieren lassen. Das geht langsam aber von alleine bei etwas kühlen Temperaturen.
Die Kristalle sind dann zwar weißlich aber nach dem Abfiltrieren immer noch von einem braunen Sirup umgeben. Als Brotaufstrich, quasi wie Bienenhonig, eignete sich diese Kristallmischung ganz gut und schmeckt auch. Ein bisschen karamellig.
 
In der Zuckerindustrie wird dieser Prozess mehrmals wiederholt, bis schneeweiße Kristalle abzentrifugiert werden. Der vielfach beschworene, braune Zucker, der durchaus nicht gesünder ist, nur weil er „wichtige“ Mineralien, enthält, die man auch mit dem Trinkwasser und jeder Scheibe Brot aufnimmt, wird meist durch Einfärben des weißen Zuckers mit braunem Rohzuckersaft hergestellt. Deshalb ist er oft noch etwas klebrig. 
Natürlich haben wir nicht unseren gesamten eingekochten Zuckersaft zu Zuckersirup verarbeitet, sondern einen Teil auch „probehalber“ der Herstellung von Rum „zugeführt“.

Lieferservice

Handpresse, schon arg schweißtreibend

Innere Werte

So äußerlich ist am Zuckerrohr nichts besonders auffällig; eine große Grassorte halt, wie auch Bambus. Mit den normalen Werkzeugen der Ökologie kommt man dieser Pflanze nicht auf die Schliche. 

Da muss die Ökophysiologie mit ihren chemisch-physikalischen Techniken ran. 

Es hat etwa 10 Jahre gedauert, bis das Geheimnis des Zuckerrohrs gelüftet war.
Man hatte sich zwar gewundert, weshalb Zuckerrohr so schnell, effektiv und produktiv wächst, aber es lakonisch mit „is halt so“ abgetan. 
Jetzt weiß man, dass das Zuckerrohr einen sogenannten „C-4 Motor“ besitzt. 

Für normale Pflanzen ist der Kohlendioxidgehalt der Luft mit inzwischen 0,04% immer noch zu gering, um mit voller Leistung Photosynthese betreiben zu können. Deshalb erhöhen die Gartenweltmeister aus Holland den Kohlendioxidgehalt in ihren Gewächshäusern auch künstlich. Das geht aber in der freien Natur nicht.  

Der „C-4 Motor“ des Zuckerrohrs funktioniert wie der Turbolader eines Autos, wo extra Luft in die Zylinder gepresst wird. Die Pflanze nimmt zwar die geringe Konzentration an Kohlendioxid aus der Luft auf, bindet und konzentriert es aber im Inneren auf chemischem Weg zunächst auf das dreifache und presst die hohe Kohlendioxidkonzentration in die Zellen, wo die Photosynthese dann mit höchster Effektivität stattfindet. 

Pfiffig ! 

Übrigens, viele hartnäckige Unkräuter machen das ebenfalls so. Der Haken an diesem „Turbo“ ist jedoch, dass er viel Licht, viel Wasser und hohe Temperaturen verlangt. 

Von nichts kommt halt nichts. 

 

Das subtropische Klima auf den Kanaren erlaubt zwar einen brauchbaren Anbau von Zuckerrohr, aber 5 m hohe Pflanzen wie in den Tropen werden es halt nicht. 

 

Übrigens ! Brauner Rum ist entweder nur mit Karamell gefärbt wie CocaCola oder kriegt seine Farbe aus dem Holz von Fässern in denen er als weißer Rum gelagert wurde.

Mit der Motorpresse aus eigener Manufaktur geht die Saftgewinnung viel einfacher

Drei Arbeiter und ein Aufseher

Der Zuckerrohrbohrer hat sich eingenistet

Die Made des Zuckerrohrbohrers frisst sich fett - beim Menschen führt zu hoher Zuckerverbrauch zu Fettleber. Der Befall macht das Rohr wertlos