Verkehr
Seit 2015 hat der Verkehr auf Teneriffa immens zugenommen. Seither herrscht nicht nur der gewohnte Verkehrsstau morgens von Puerto de la Cruz Richtung Santa Cruz, sondern spät nachmittags rollt die Welle in umgekehrter Richtung. Die Verkehrsdichte ist merklich gestiegen. Kein Wunder. Ohne Auto schaut man dumm drein.
Es gibt zwar ein öffentliches, auch gutes Bussystem, aber alles soll schneller gehen und man will ja direkt zu den Einkaufszentren fahren und die Sachen direkt einladen und nicht wer weiß wie weit zur Bushaltestelle schleppen. Viele ärmere Leute fahren einmal die Woche mit dem Taxi zum Einkaufen, um den Wocheneinkauf zu tätigen.
Die Autobranche ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Teneriffa. Fast an jeder Ecke gibt es eine Autowerkstatt gleich mit Lackiererei. Deshalb haben Autos hier auch ein langes Leben und man findet beispielsweise VW Käfer mit dem kleinen Rückfenster, aber blitzblank. Am Nummernschild kann man das Alter des Fahrzeugs schon abschätzen. Die ersten Fahrzeuge hatten als Nummer nur Tf und eine Zahl. Später kam ein Buchstabe hinzu, dann ein weiterer, bis die möglichen Kombinationen ausgeschöpft waren. Seither hat man 3 Buchstaben mit 4 Ziffern, aber ohne Tf.
Gebrauchtautos sind hier unverhältnismäßig teuer. Zum Neupreis fehlt oft nicht viel. Wir haben deshalb unsere 2 Autos aus Deutschland überführt, Zoll bezahlt und die Ummeldegebühren. Dafür sind aber neue Autos deutlich billiger auf den Kanaren, da zudem die Mehrwertsteuer nur bei 7% liegt.
Der Autoverkehr läuft hier deutlich entspannter als in Deutschland. Das hat zum Teil mit der Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h zu tun. Aber auch die Fahrer sind entspannter. Sie lassen einen ohne zu Hupen in Kolonnen etc. einscheren oder geben einen Vortritt bei Ausfahrten. Das ist sehr angenehm. Anfangs fanden wir die 120 kmh Begrenzung irgendwie lähmend. Aber man gewöhnt sich dran, fährt entspannter und wundert sich gelegentlich, warum man nur 90 fährt ohne einen Verkehrsstau zu verursachen.
Bei 120 fängt man an etwas irritiert zu werden. Nur ganz wenige pfeifen an einem dann noch vorbei. Radar-Starenkästen kenne ich nur drei. Man merkt das automatisch, wenn die anderen plötzlich langsamer werden. Sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten ist völlig unschädlich.
Ein witziges Phänomen haben wir erst mit Verzögerung kapiert. Vor uns in der Kolonne setzt das Auto den linken Blinker, das davor ebenfalls und zwei weitere. Nanu, will denn die ganze Truppe links abbiegen? Plötzlich biegt an der Spitze ein Auto links ab, alle Blinker gehen aus und der Trupp fährt weiter geradeaus. Das Blinken soll „augenscheinlich“ verhindern, dass jemand, der es besonders eilig hat, die Kolonne links überholt. Keine schlechte Idee.
An Fußgänger-Zebraübergängen haben Fußgänger unbedingt Vorgang/Vorrecht/Vorfahrt. Oftmals wird der Fußgänger, der am Zebrastreifen steht, durch das haltende Auto regelrecht gezwungen rüber zu gehen. Meist winkt er vorher schon ab. Dafür bekommt man böse Blicke und ein Armgefuchtel, wenn man meint – geht doch – noch schnell vorbeizufahren. Geht gar nicht.
Das ist auch angenehm, wenn man sich wirklich trauen kann, sorglos über den Zebrastreifen zu gehen.
Neben Autofahrern und Fußgängern gibt es auch Radrennfahrer. Keine normalen Fahrradfahrer. Nein. Habe noch keinen einzigen gesehen. Auf der Carretera general, also der Hauptstraße zu fahren, die in ziemlich gleicher Höhe an der Flanke der Insel entlang läuft, könnte man tatsächlich gut Radfahren. Tut aber niemand, weil er entweder weiter oben oder unten wohnt. Und da geht es wahrlich steil rauf bzw. runter. Ohne Schieben würde da nichts gehen. Also lässt man die Radfahrerei gleich ganz.
Die Radrennfahrer hingegen sind Sportler, treten gleich in ganzen Rotten auf und sind sowohl an ihrer Kolibrimontur als auch an den spinnwebengleichen Rädern zu erkennen. Vor allem an Wochenenden sind sie unterwegs, fahren natürlich nicht hintereinander, sondern nebeneinander. Gehupt wird nicht. Das gäbe aber ein wütendes Gefuchtel und Geschrei.
Also Geduld und den „Sattelzug“ vorsichtig überholen. Manchmal verseuchen sie auch die Autobahn, aber nur am Seitenstreifen. Die Polizei traut sich auch nicht sie von dort zu verscheuchen.
Aber Achtung: wenn Ihnen ein Radrennfahrer entgegenkommt: verschätzen Sie sich nicht, sie sind oft sauschnell und ehe Sie sich´s versehen, haben Sie ihn auf Ihrer Motorhaube, wenn Sie abbiegen wollen.
So freundlich die Autofahrer im Straßenverkehr sind, so „ahnungslos“ geben sie sich beim Einparken und Rangieren. Bumms, Tür auf, an die Nachbartüre angeschlagen, Kratzer dran. Ach was, kann doch wegpoliert werden. Fliegende Händler mit Polierstiften trifft man nicht von ungefähr auf Parkplätzen.
Beim Ausparken die Kurve nicht richtig eingeschätzt, schon hat man selber einen verschundenen Kotflügel und der Nachbar auch. Ah, ist doch nicht so tragisch. Wer wird denn da ein Aufhebens machen oder gar den anderen KFZ-Besitzer kontaktieren.
Fahrerflucht im kleinen Umfang ist hier Nationalsport. Man sieht es an den vielen beschundenen Türen und Kotflügeln auf den Parkplätzen. Unseren 230.000 km Toyota tut das nichts, aber unseren relativ neuen anderen PKW könnten wir nur mit einer Neulackierung wieder verkaufen.
Ach ja, habe ich ganz vergessen. Ohne Garage leidet der Autolack unter der intensiven Sonneneinstrahlung erheblich: er blasst aus, vor allem die Acrylschichten der Metallic Lackierung platzen ab. Bei alten Autos ist das wohl nicht so wichtig. Andererseits lieben die Kanarios Garagen. Am besten und meisten mit Einfahrten wie für Lkws. Sehr praktisch. Man kann ein, zwei, drei Autos einstellen, evtl. auch ein Boot, mit den Freunden eine große Party geben oder manchmal wird die Garage gleich zu einer Guachinche, einer Kneipe, umfunktioniert.
Die Sonneneinstrahlung ruiniert nicht nur den Autolack, sondern auch das Armaturenbrett, wie wir zu unserem Leidwesen erfahren mussten. Kein „Schwein“ hat uns das gesagt, dass nämlich das Einlegen von silbrigen Sonnenschutzfolien hinter die Windschutzscheiben nicht nur dazu da ist, das Aufheizen des Wageninneren zu reduzieren und nützt auch wenig. Dies wäre uns gleichgültig gewesen. Aber dass das Armaturenbrett aus Plastik irreparable, ordentliche Risse bekommt, praktisch platzt, das erwähnte niemand. Wieso auch? Das ist doch eh klar. Das weiß man doch einfach. Oder ?
Wie so oft halt im Leben.
Beim Straßenbau bemüht man sich auf Teneriffa redlich. Subventioniert durch die EU, ist die Autobahn von Santa Cruz nach Puerto de la Cruz nachts auf dreiviertel der Strecke üppig ausgeleuchtet. Anstelle eines Mastes am Mittelstreifen, bekam jede Spur ihre eigenen Lichtmasten. Eine Gabellampe im Mittelstreifen hätte völlig ausgereicht, aber man wollte halt die Subventionen für die lokale Wirtschaft maximal ausschöpfen. So haben die Gelder halt nur bis Tacoronte gereicht. Und nicht bis La Matanza. Fährt sich aber ganz gut auf einer beleuchteten Autobahn.
Die Fahrbahndecken werden auch gut gepflegt und immer wieder repariert. Nur mit der Effektivität der Beschilderung ist es so eine Sache. Die Schilder, die auf Abzweigungen etc. hinweisen, stehen oft so weit von der Einordnungsspur entfern, dass man nicht mehr wechseln kann, wenn man endlich das Schild, meist mit mehreren Pfeilen, lesen kann.
Man muss es halt wissen. Auch ich bin schon ein paarmal falsch abgebogen und bin auch heute noch etwas verunsichert beim Abbiegen in die Spur zum Südflughafen. Flugs ist man sonst im Shopping Center Añaza.
Autos, die älter als 10 Jahre sind, müssen jedes Jahr zum TÜV; hier heißt er ITV. Neuwagen dagegen nur alle 2 Jahre. Lieferwägelchen jedes Halbjahr und dürfen angeblich auch nur 80 kmh Höchstgeschwindigkeit fahren. Wenn man glaubt, hier auf dem Lande ging es nicht so hochgerüstet wie beim deutschen TÜV, täuscht sich. Mit den neuesten Schüttlern und Abgasschnüfflern aus deutscher Fabrikation werden die Autos geprüft ohne Augenzudrücken.
Manchmal sind die Prüfer auch „blöde“. Eine kleine Rostkruste seitlich an der Windschutzscheibe wurde bemängelt als defecto grave. Also richten und neu antreten. Mein Einwand, es würde doch die Sicherheit des Autos nicht beeinträchtigen, wurde weggewischt mit: Aber es könnte sich jemand dran verletzen ! Und sich vielleicht eine Blutvergiftung holen, was ?
Wie mit deutschen Prüfern diskutiert man auch hier nicht, zumal das Wiedervorfahren nichts kostet. Am Albernsten fand ich, dass sie mir das hintere Nummernschild beanstandet hatten. Es wies in der Tat ein nur dem geübten Auge erkenntlich ein feines Krakelee auf. Der Prüfer sagte nichts als ich meinte, man könne es doch aus 100 m Entfernung lesen. Er hat es aber als leichten, lässlichen Mangel eingetragen.
Beim nächsten ITV Besuch würde aber der Zentralcomputer den Prüfer aufmerksam machen. Also Achselzucken und einfach machen. Sind aber sonst ganz freundlich die Leute. Wirklich !
Ein kurzes Wort zum Parken. Parken geht hier in den Städten im Allgemeinen – außer vor Shopping Centern – gar nicht. Man versucht auch erst gar nicht falsch zu parken, spart sich den evtl. Ärger und fährt gleich ruhig ins Parkhaus. Hat uns einige Zeit – Jahre ? – gekostet, dies zu akzeptieren. Dieses um den Block oder durch Einbahnstraßen erschwerte Rumfahren, geht einem zu sehr auf den Geist und ist gesundheitsschädlich, für die Psyche.
An Oldtimern besteht hier kein Mangel. Auch sie bekommen eine Steuererleichterung, die aber von Prüf – Kontroll- und Verwaltungsgebühren wieder aufgefressen wird. Aber das Spektrum auf den Straßen ist schon interessant. Hängt natürlich auch vom jeweiligen Sichtwinkel ab. Die Super gepflegten R4 s, die durchaus nicht von Schnöseln gefahren werden, sondern einfach nur aus wirtschaftlichen Gründen, sind natürlich Liebhaberfahrzeuge und für unsre Finca mit „Düngemittel- und Hühnerfuttertransportbedarf“ leider nicht geeignet.
Viele Fahrzeuge werden landwirtschaftlich genützt. Voran „vintage“ Landrover, wo selbst einem Engländer das Herz aufgehen würde. Aber natürlich auch die Folgemodelle, die meist aus spanischer Produktion der Fa. Santana stammen. So urig sie auch sind, so wurden sie doch letztlich von japanischen Transporter-Kombimodellen, den Pick-Ups, abgelöst, weil bei den Engländern ohne harte Arbeit am Steuer nichts geht. Deshalb haben wir auch keinen, trotz eines möglichen Image-Gewinns für eine Finca.
Am Steuer dieser Pick-Ups, Hilux, Pajero, Montero etc., sitzen dann sonnenverbrannte , zahnluckige Bäuerchen, die damit aufs Feld und ihre Kartoffel- oft auch Maissäcke nach Hause fahren. Ein gewisses Prestigedenken steckt da natürlich auch drin. Was dem Deutschen ein neuer Mercedes oder Golf wäre, ist hier ein mehr oder weniger (meist weniger) neuer LUV (Landwirtschaftliches Utility Vehicle). Zuhause mag man rustikal beengt hausen, aber ein ordentliches Auto sollte schon in der Garage stehen.
Nützlich sind so klobige Autos dann doch wieder, wenn die Felder weiter oben an den Ausläufern des Teides liegen. Da muss das Fahrzeug schon Allrad haben und robust sein. Im Bereich der Kastanien- und Kiefernwälder war die Überzeugungskraft der Verwaltung nicht so groß, Subventionen für den Zugang zu kleinen Kartoffelparzellen zu bekommen. Die Wege sind dann ausgewaschen und durch Gestrüpp eingeengt. Aber gepflanzt wird. Wegen der schlechten Zugänglichkeit und Abgelegenheit werden solche Felder, die mit „papas negras“ , schwarzen Kartoffeln, das Kilo 6,50 Euro , bestellt sind, auch oftmals geplündert. Fahrzeuge dafür hat „man“ ja.
Edle Oldtimer gibt es natürlich und auch „zuhauf“. Viele ansässige Deutsche, die auf ihrem Grundstück die Bundesfahne und den Berliner Bären gehisst haben, haben in ihren oft weitläufigen Garagen wahre Schmuckstücke stehen, bzw. gehortet. Autos aus der Kaiserzeit, aus England oder Italien und wunderbar gepflegt, gehen dann einige Male auf einen Corso über die Insel. Wunderbar anzusehen. Aber die Pflege ist auch notwendig. Es gibt zwar keinen streusalzigen Schneematsch, aber der feine, salzhaltige Atlantikspray wird auch in mittlere Höhen verdriftet. Er schädigt weniger den Unterboden und Fahrgestell, aber greift unbarmherzig die feinsten Risse im Lack an.
So hat jeder seine Probleme.